Alternative Kraftstoffe: EU-Gesetzgebung spielt USA und China in die Hände
- MOTORENSYMPOSIUM
- 16. Juni
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Aktualisiert: 16. Juni
Internationales Wiener Motorensymposium 2025 bot breitgefächerten wissenschaftlichen Überblick über nachhaltige Energieträger für PKW, LKW, Schiffe, Flugzeuge und Motorsport
Die Energiewende, der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Kraftstoffe, wird langwierig und teuer. „Das ist ein Marathonlauf“, sagte Werner Tillmetz, Professor an der Universität Ulm, auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium 2025. Derzeit stammen rund 23 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr, davon entfallen knapp 50 Prozent auf Pkw und Vans.
Um den Verkehr zu defossilisieren, reicht der batterieelektrische Antrieb nicht. Er machte zwar große Fortschritte, aber „er ist nicht die ideale Lösung für alle Bereiche. Selbst in einer komplett defossilisierten Zukunft wird es flüssige und gasförmige Kraftstoffe für die Versorgungssicherheit mit Energie brauchen“, veranschaulichte Gavin Dober, Forschungs- und Entwicklungs-Manager des Zulieferkonzerns Phinia Luxembourg Sarl, in seinem Beitrag. Die entsprechenden Antriebe „können auch wirtschaftlicher, sozialer und umweltfreundlicher als batterieelektrische Antriebe sein.“
Viel zu wenig „Grünstrom“
Werner Tillmetz zeigte am Beispiel Deutschland, dass nicht einmal für Pkw ausreichend „Grünstrom“ zur Verfügung steht. Die Sonne scheint in Deutschland an 20 Prozent der Stunden eines Jahres, der Wind bläst nicht regelmäßig. Für diese Stromerzeugungslücke, die „Dunkelflaute“, sind fossile Kraftwerke bereitzustellen, denn so viel Energie lässt sich kostengünstig nicht in Batterien zwischenspeichern. Dazu kommt, dass es große Mitbewerber um den Strom gibt. „In Großbritannien werden allein die Wärmepumpen 70 Prozent mehr Leistung im Netz brauchen“, sagte Tillmetz. Wegen des nach wie vor beträchtlichen fossilen Anteils an der Stromerzeugung „ist auch der Klimaeffekt eher homöopathisch.“
Marktverzerrung durch EU-Gesetze – es droht 15 Milliarden-Strafe/Jahr
Das liegt auch an der EU-Gesetzgebung für Fahrzeuge, die nur die Emissionen am Auspuff regelt. 2035 dürfen dort bei neuen Pkw nur mehr null Gramm Emissionen auftreten. „Das kommt einem Verbot der Verbrennungsmotoren gleich“, warnte David Bothe, Energiemarktexperte von Frontier Economics. Und es verzerrt die Märkte. Denn Autoherstellern, die in Europa nicht ausreichend Elektroautos verkaufen, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe, konkret „mehr als 15 Milliarden Euro pro Jahr“, so Bothe. Mindern können die Autohersteller diese Strafe, indem sie mit Autokonzernen, die sehr viele oder ausschließlich batterieelektrische Fahrzeuge verkaufen, einen Pool bilden und ihnen CO2-Gutschriften abkaufen. Das kostet sie aber immer noch fast zwei Milliarden Euro. „Dies führt zu einer Umverteilung hin in den amerikanischen und chinesischen Markt“, sagte Bothe, somit an Konkurrenten, vor allem Tesla und Geely.

E-Fuels könnten helfen
Für gewisse Bereiche wird der batterieelektrische Antrieb jedoch auch längerfristig maximal eine Nischenrolle spielen. Die EU kam 2024 in einem Impact Assessment zum Schluss, dass etwa in der Luft- sowie Schifffahrt auch „2040 konventionelle Antriebe dominieren werden“, erläuterte Lukas Mauler, Manager bei Porsche Consulting. Luft- und Schifffahrt tragen heute weltweit zu je rund zwei Prozent an den Gesamttreibhausgasemissionen bei. „Bei Pkw und Lkw werden 2040 noch immer 40 bis 60 Prozent der Fahrzeugflotte mit konventionellem Antrieb unterwegs sein.“ Das sind mehr als eine Milliarde von Fahrzeugen. „Um hier den CO2-Fußabdruck zu senken, braucht es alternative Kraftstoffe. Hier können E-Fuels helfen.“ Das sind synthetische Kraftstoffe, die mit Ökostrom aus Luft, Wasser und bei Bedarf CO2, das aus der Luft oder aus Industrieabgasen abgespalten wird, erzeugt werden. Die Palette reicht von grünem Wasserstoff bis zu E-Diesel und E-Benzin am Ende der Umwandlungskette. Mit ihnen können auch Verbrennungsmotoren kohlenstoffneutral betrieben werden, wenn die Gesamtwirkungskette mitberücksichtigt wird.
E-Methanol für Schiff und LKW als vielversprechende Alternative
Um bis 2030 die geschätzten Mengen von 20 Milliarden Liter Benzin-Äquivalent zu erreichen, ist ein Investitionsvolumen von rund 500 Milliarden Euro bis 2030 nötig. „Das ist die Hälfte dessen, was für fossile Öl- und Gasprojekte bis 2030 geplant ist“, rechnete Mauler vor. Mit entsprechenden Effizienzsteigerungen bei der Technologie, einem Standort mit sehr niedrigen Ökostrom-Produktionskosten wie etwa in Südamerika mit zwei Cent pro Kilowattstunde sowie großen Produktionsmengen „kommt man auf rund 700 Euro pro Tonne für E-Methanol“, sagte Mauler. E-Methanol gilt heute als vielversprechendster E-Fuel in der Anfangsphase, vor allem für die Schifffahrt, in China aber auch für Lkw. Fossiles Methanol kostet heute laut Mauler zwischen 400 und 800 Euro pro Tonne.
Neue Chance für ungenützte Tankstellen
„Methanol hat ein großes Potenzial, auch was die leichte Industrialisierung betrifft. Es ist ein flüssiger Kraftstoff. Methanol wird zur Kerntechnologie für die Dekarbonisierung schwerer Lkw“, sagte Yuan Shen, Chefentwickler der Zhejiang Geely Holding in China. Vorhandene Benzin- oder Dieseltankstellen, die nicht mehr genützt werden, können künftig Methanol verkaufen. Zudem ist laut Shen Methanol viel sicherer als Wasserstoff. Geely baut ein Methanol-Ökosystem auf, das von der Erzeugung von Ökostrom und CO2-Abscheidung als Basis für E-Methanol („grünes“ Methanol) über den Transport, die Tankinfrastruktur bis zu den Methanol-betriebenen Fahrzeugen reicht.
Andere Weltregionen setzen auf Biosprit als Ersatz für fossile Kraftstoffe, allen voran Brasilien auf Ethanol. „Weltweit ist Ethanol der meistgenutzte Biokraftstoff“, sagte Dober von Phinia. Bioethanol aus Europa senkt den CO2-Fußabdruck gegenüber Benzin um fast 80 Prozent. Da Biosprit wie E-Fuels auch fossilen Kraftstoffen beigemengt werden kann, können schon geringe Mengen den CO2-Fußabdruck von Fahrzeugen mindern. Der größte Ethanol-Produzent sind die USA, gefolgt von Brasilien. In Frankreich oder Teilen der USA tanken viele Nutzfahrzeuge HVO, hydriertes Pflanzenöl. Insgesamt entfallen laut Dober mehr als fünf Prozent der weltweiten Flüssigkraftstoffe auf Biosprit.
Für Ethanol und Methanol müssen die Antriebe adaptiert werden, sie sind korrosiv und haben ein schlechtes Kaltstartverhalten. Aufgrund der deutlich geringeren Energiedichten gegenüber Benzin, Diesel oder Kerosin benötigen die Flüssigkraftstoffe Ethanol und Methanol für die gleiche Reichweite größere Tanks und Einspritzsysteme.
Formel 1 ab 2026 nur mehr mit „Erneuerbaren“
Die Formel 1 schreibt ab 2026 erneuerbare Kraftstoffe vor. Ethanol und Methanol sind gegenüber einem Wasserstoff- oder Batterieantrieb gewichtsmäßig deutlich im Vorteil. Abseits der Formel 1 wird es auch Rennserien mit Wasserstoffantrieb geben, berichtete Peter Schöggl, Leiter Business Field Racing, ADAS und Vehicle bei der AVL List. BRP-Rotax konzentriert sich für Freizeitvehikel wie Schneemobile dagegen auf batterieelektrische oder Hybrid-Antriebe laut Steffen Meyer-Salfeld, Leiter der BRP-Rotax-Vorentwicklung. Wasserstoffantriebe sind noch in der Konzeptphase. In der Luftfahrt „sind Sustainable Aviation Fuels und Wasserstoff die Schlüsseltechnologien, um den CO2-Fußabdruck zu senken“, sagte Christian Reitmayr, Projektassistent an der Technischen Universität Wien.
Gesamtkette verstehen und optimieren
Eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Wahl des optimalen E-Fuels ist der Wirkungsgrad, also wie viel von der eingesetzten Energie beim Rad eines Fahrzeugs ankommt. Marc Sens, Manager bei der technischen Beratungsfirma IAV in Berlin, stellte ein Simulationsmodell vor, das den Wirkungsgrad der drei E-Fuels Wasserstoff, Methanol und Ammoniak über den gesamten Lebenszyklus vergleicht, von der Erzeugung über Speicherung und Transport bis zur Verbrennung. Dabei zeigt sich, dass der Produktionsstandort eine große Rolle spielt. „In Nordafrika liefert ein- und dasselbe Solarpanel zwei- bis dreimal mehr Strom als in Mitteleuropa“, sagte Sens.
Die drei Kraftstoffe haben zudem unterschiedlich hohe Verluste im Transport. Beim Wasserstoff sind sie besonders hoch. „Jedes Prozent an Wirkungsgrad-Unterschied steht für eine große Anzahl an Windrädern und Solarpaneelen, die auch einen immensen CO2-Fußabdruck im Bau und Betrieb der Anlagen haben“, sagte Sens. Er forderte: „Wir müssen die Gesamtkette mitbetrachten, verstehen und optimieren.“
Für die gesamtheitliche Betrachtung plädierte auch Thierry Campenon, Chefentwickler bei OPmobility, Belgien: „Man kann zum Beispiel eine Stoßstange weglassen, um CO2 zu sparen, dadurch hat das Fahrzeug aber lebenslang eine schlechtere Ökobilanz, weil die Aerodynamik ohne Stoßstange leidet.“ Schlechtere Aerodynamik bedeutet höheren Verbrauch und somit höheren CO2-Ausstoß. Auch bei heute als emissionsfrei titulierten Antrieben lohnt sich eine Gesamtbilanz. So können bei ihnen allein Rohstoffproduktion und -transport einen deutlich größeren CO2-Fußabdruck als vergleichbare Verbrenner-Antriebe verursachen. „Für eine 60 Kilowattstunden-Batterien sind dies beinahe sechs Tonnen CO2-Äquivalent“, sagte Campenon. Durch Recycling von Lithium, Kobalt und Nickel lässt sich dieser CO2-Fußabdruck stark mindern. Insgesamt kann dieser Fußabdruck bis 2030 gegenüber heute um mehr als 40 Prozent sinken, wenn auch die Lebensdauer der Batterien verlängert wird, so die Berechnungen von OPmobility.
Das technische Beratungsunternehmen FEV Aachen berücksichtigt in seinen Lebenszyklusanalysen auch die Verfügbarkeit der benötigten einzelnen Energieträger. FEV-Experte Norbert Alt präsentierte die Ergebnisse. Für das EU-Ziel von 2035 mit null Emissionen am Auspuff hält die FEV batterieelektrische Antriebe als beste langfristige Option für Pkw, auch dank der zu erwartenden Verbesserungen bei Effizienz und Kosten. E-Fuels hielt Alt dagegen erst ab 2040 für relevant, da vorher nicht ausreichend verfügbar und zu teuer. Elektroautos mit Range Extender, wie sie in China sehr populär sind, sollten auch in Europa als kohlenstoffneutral anerkannt werden, regte Alt an. Denn mit dem Verbrennungsmotor als Generator an Bord, einem seriellen Hybrid, der aus Benzin Strom erzeugt, wenn die Batterien leer sind, kann auch mit fossilem Benzin der CO2-Ausstoß enorm gesenkt und gleichzeitig den Kunden die Reichweitenangst genommen werden. Zudem stellen sie eine kostengünstige Alternative zum reinen batterieelektrischen Antrieb dar.
Hohe Energiekosten durch „Merit-Order“ als große Hürde in Europa
Einig waren sich die Vortragenden auf dem Symposium, dass die alternativen Energieträger nicht billig werden. Das beginnt beim Strom. Zwar „scheinen die Entstehungskosten für Solar- und Windstrom schon jetzt konkurrenzlos günstig“, sagte Thomas Koch, Institutsleiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), allerdings richten sich die Stromkosten immer nach der teuersten Produktionsstätte gemäß dem in der EU geltenden „Merit-Order-System“. Und das werden auch künftig meist Gaskraftwerke sein, die bei Dunkelflauten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst, für den nötigen Strom sorgen müssen. Dieser Gasstrom wird künftig noch viel teurer als heute, da diese Gaskraftwerke im Falle Deutschlands etwa künftig nur für rund 5.000 Stunden in Betrieb gehen. Das heißt, ihre hohen Bau- und Betriebskosten werden auf immer weniger Betriebsstunden aufgeteilt. Dies gilt auch für Elektrolyseure, die für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und anderen E-Fuels nötig sind. Batterien als alleiniger Zwischenspeicher für Dunkelflauten hielt Koch bestenfalls kurzfristig zur Überbrückung geeignet. Unterm Strich kommen zu den Erzeugungskosten in Deutschland pro Kilowattstunde bis zu knapp 50 Cent als Zuschlag für den Netzausbau sowie für Gaskraftwerke bei Dunkelflauten dazu, rechnete Koch vor.
China dagegen bietet in gewissen Regionen schon heute Stromentstehungskosten um die vier Cent pro Kilowattstunde, an der Ladesäule Kilowattstunden um 13 bis 26 Cent, in Deutschland dagegen liegt der mittlere Preis an Ladestellen dafür eher bei 87 Cent, berichtete Holger Klein, Vorstandsvorsitzender von ZF. Das erleichtert in China neben dem Absatz von Elektroautos auch deren Produktion sowie die Herstellung von alternativen E-Fuels, die viel Ökostrom benötigen. Laut Markus Heyn, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH und Vorsitzender Bosch Mobility, beträgt der Kilogrammpreis für grünen Wasserstoff in China schon jetzt um die drei Euro, in der EU hingegen 16 bis 24 Euro. Heyn: „Wir müssen in Europa ähnliche Rahmenbedingungen schaffen, damit Technologieoffenheit und -vielfalt möglich sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.“
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Weitere Informationen: https://wiener-motorensymposium.at/ und https://oevk.at/
Mehr Informationen und Bildmaterial unter: www.melzer-pr.com/motorensymposium
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